Barrierefreiheit im öffentlichen Raum - Perspektiven aus der Praxis
Der öffentliche Raum muss für alle Menschen da sein! Um diesen Grundsatz auch nachkommen zu können, bedarf es den Anforderungen für eine barrierefreie Nutzung. Ansonsten kann es vorkommen, dass Menschen mit Einschränkungen von öffentlichen Gebäuden, Parks, Hauptplätzen, Straßen, Bushaltestellen, etc. ausgeschlossen sind.
Als öffentlicher Raum werden im Wesentlichen jene Strukturen und Einrichtungen verstanden, die einer Gemeinde oder einer Körperschaft öffentlichen Rechts gehören und der Öffentlichkeit mehr oder weniger frei zugänglich sind. Oft werden sie auch von der Gemeinde bewirtschaftet und unterhalten. Im Allgemeinen fallen öffentliche Gebäude samt Nebenflächen, öffentliche Verkehrsflächen für Fußgänger, Fahrrad- und Kraftfahrzeugverkehr, aber auch Platzanlagen sowie Grün- und Parkflächen darunter.
Öffentliche Räume gibt es in allen Kulturen. Wenngleich sie meist als physikalisch-gebaute Infrastruktur verstanden werden, sind sie vor allem Orte der Begegnung, des sozialen Ausgleichs, der vielfältigen Interaktion und der Identifikation. Sie dienen als Bühne der Gesellschaft, wirken auch als Erholungs- und Freizeitraum und werden nicht zuletzt gerne als Visitenkarte der jeweiligen Gemeinde bzw. Gesellschaft gesehen.
Daher muss eine optimale Nutzbarkeit für möglichst breite Bevölkerungsteile oder aber für bestimmte Zielgruppen zu den obersten Anforderungen für den öffentlichen Raum gehören. Die konkrete Ausgestaltung öffentlicher Räume und Angebote entscheidet maßgeblich darüber, durch wen sie auch tatsächlich genutzt werden können. Gut plant und gestaltet nur, wer die Ansprüche und Anliegen der Zielgruppen und der Betroffenen kennt.
Beteiligungsformen und -methoden variieren von Fall zu Fall. Die Einbeziehung unmittelbarer Anrainer sowie vorrangig betroffener Vereine, Organisationen und Interessenvertretungen steht meist im Vordergrund. Befragungen, öffentliche Diskussionen und andere Beteiligungsangebote an alle Interessierte sind mindestens genauso wichtig und bringen zusätzliche Aspekte und Sichtweisen.
Auch die intensivste Beteiligung kann die Vermeidung unterschiedlicher Barriereeffekte nicht garantieren. Daher ist ein klares Bekenntnis zur Barrierefreiheit schon im Zuge der Planung öffentlicher Räume unverzichtbar. Die Möglichkeiten auf spezielle Zielgruppen näher einzugehen sind vielfältig und reichen von der Rücksichtnahme auf deren Bedürfnisse bis zu spezifischen Einrichtungen und Angeboten. Beispiele von Platz- oder Parkgestaltungen aus Gerersdorf, Wr. Neudorf oder Mödling lassen auch erkennen, dass die individuellen Anforderungen, die öffentliche Räume von Fall zu Fall haben, maßgeblich von den vor Ort betroffenen und handelnden Personen geprägt werden.
Normen und technische Ausführungsempfehlungen von Gehwegen und Straßenräumen bis hin zu barrierefreien Leitstrukturen und Gastgärten stehen heute als wertvolle Grundlagen zur Verfügung. Sie beziehen sich vorrangig auf die bauliche (physische) Barrierefreiheit, die heute als Grundanforderung für öffentliche Räume zu verstehen ist. Das eigentliche Ziel besteht jedoch darin, möglichst alle Menschen am gesellschaftlichen Leben (im öffentlichen Raum) teilhaben zu lassen. Es gilt daher stets auch Wege für den Abbau kommunikativer und sozialer Barrieren im öffentlichen Raum zu finden. Dazu bedarf es in der Regel individueller Überlegungen und Lösungen.
Für eine umgreifende und kontinuierliche Umsetzung der Barrierefreiheit im öffentlichen Raum empfiehlt sich die Erstellung von Leit- und Etappenplänen auf Gemeindeebene. Ein kritischer Blick auf das Umfeld öffentlicher Einrichtungen, Ausführungsstandards etwa für Straßenquerungen und Gehwege, der Umgang mit etwaigen Behinderungen (durch Verkehrszeichen, Laternenmasten, u.ä.) und eine begleitende Berücksichtigung der Barrierefreiheit bei anstehenden Bauprojekten haben sich beispielsweise in der Stadtgemeinde Hollabrunn besten bewährt. Darüber hinaus sind Kosten-Nutzen-Überlegungen, die Überprüfung umgesetzter Maßnahmen unter Einbindung betroffener (Rollstuhlfahrer, blinde Menschen, etc.) sowie baustellenverantwortlicher Personen (ausführende Firmen, etc.) und die laufende Nachführung des Leit- und Etappenplanes zu empfehlen.
Barrierefreiheit im öffentlichen Verkehr
Das Bundes-Behindertengleichstellungsgesetz führt unter anderem auch die Notwendigkeit an (öffentliche) Verkehrsmittel barrierefrei zugänglich zu machen, sodass sie für Menschen mit Behinderungen ohne besondere Erschwernis und ohne fremde Hilfe nutzbar sind. Das ist gleichzeitig ein Komfortgewinn für alle Nutzer.
Die Österreichischen Bundesbahnen (ÖBB) haben eine strategische Steuerungsplattform zum Abbau von Barrieren eingerichtet und Barrierefreiheit im Etappenplan Verkehr aufgenommen. Der kontinuierliche Ersatz alter Zuggarnituren durch moderne, barrierefreie Modelle und die Erneuerung der Bahnhöfe im Rahmen der Bahnhofsoffensive gehören zu den auffälligsten Maßnahmen. Im Jahr 2025 sollen 270 Bahnhöfe und Haltestellen barrierefrei ausgeführt sein. Damit werden 90 Prozent der Fahrgäste erreicht.
Behindertenparkplätze, Aufzüge, Rampen, intelligente und taktile Wegeleitsysteme, integrierte Rollstuhlhilfen und entsprechende WC-Anlagen gehören zum Ausbauprogramm der Bahnhofsoffensive. In Form von barrierefreiem Online- und Mobileticketing oder der Bereitstellung von Informationsträgern für mobilitätseingeschränkte Personen bzw. in „leicht lesen“ werden aber auch andere Aktivitäten gesetzt.
Auch für Busreisende bringt Barrierefreiheit Vorteile. Der Verkehrsverbund Ost-Region (VOR) sieht die Erneuerung der Busflotten und die Modernisierung der Haltestellen vor. Busse mit Niederflureinstieg und Mehrzweckabteil etwa für Kinderwägen und Rollstühle, akustische Haltestelleninformation mit Umstieghinweisen sowie visuelle Haltestellenanzeigen sorgen für Erleichterungen. Für Bushaltestellen gelten neue Mindestanforderungen (barrierefreie Auftrittsfläche, etc.) an die letztlich auch die Zulassung der Haltestelle gebunden sein wird.
In Ergänzung zum öffentlichen Linienverkehr werden in manchen Gemeinden und Regionen bedarfsorientierte Mobilitätsangebote angeboten. Anrufsammeltaxis, Ruf- und Gemeindebusse gehen auf individuelle Mobilitätsanforderungen ein. Sie werden in der Regel von einem Trägerverein über bestimmte Zeiträume - oft als Pilotprojekt - betrieben. Beispiele wie das Anrufsammeltaxi „IST mobil – Bezirk Korneuburg“ oder der Gemeindebus Gerersdorf können je nach Betriebsform und Ausstattung der Fahrzeuge auch für Menschen mit Behinderung äußerst hilfreich sein. Sie können und sollen den öffentlichen Linienverkehr jedoch nicht ersetzen.
Wir danken Ing. Andreas Leeb, Vzbgm. Ing. Franz Schuster, DI Sanja Turkovic und DI Andreas Zbiral für ihre Beiträge zur Barrierefreiheit öffentlicher Räume im Rahmen der Fachtagung „Abbau von Barrieren“ am 14. Juni 2016 im MAMUZ Mistelbach.
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